Dienstag, 24. Januar 2012

Planet Mars (31) - Chronologie der Marsoberfläche II


Chronologie nach Gesteinsformationen
Aus der Umlaufbahn heraus lassen sich mittels Multispektral­fotografie recht gut bestimmte Gesteinsformationen anhand ihrer Spektralmerkmale detektieren, klassifizieren und den Ort ihres Vorkommens ermitteln. Da bestimmte Minerale nur unter Einwirkung von Wasser entstehen können (dazu gehören ver­schiedene Phyllosilikate wie z.B. Tone sowie Sulfate wie z.B. Gips=Calziumsulfat) und Wasser nur in der Frühgeschichte des Mars eine größere Rolle bei der Mineralisation gespielt haben kann, läßt sich anhand von deren Verortung auf der Mars­oberfläche eine alternative Chronologie entwickeln. So zeigt sich, daß Ton-Vorkommen nur mit Gebieten koinzidieren, die über Kraterzählungen dem frühen Noachian zugeordnet werden. Sulfate wurden offensichtlich erst danach gebildet, sind also jünger. Schwefeldämpfe haben bekanntlich etwas mit Vulkanis­mus zu tun. Erst nachdem große Mengen Laven ausgetreten sind und zu verwittern begannen, wurde soviel Schwefel auf der Marsoberfläche frei, daß es in wäßrigen Milljöhs Calziumsul­fatlagerstätten bilden konnte. Die Bedingungen dafür waren zumindest an einigen Stellen bis zum Ende des Noachians gegeben. Danach begann erst die „Rotfärbung“ des Planeten durch die Bildung von Eisenoxiden auf den Gesteinsoberflächen – und zwar ohne Wasserbeteiligung.

J.-P. Bibring et al. (2006) entwickelten auf der Grundlage der eben dargelegten Überlegungen eine alternative Chronologie der geologischen Entwicklung des Mars, in dem sie insbesondere die Meßergebnisse des OMEGA (Visible and Infrared Mineralogical Mapping Spectrometer) –Instruments der europäischen Mars-Sonde Mars-Express in dieser Hinsicht auswerteten. Ihnen standen dazu Aufnahmen mit einer räumlichen Auflösung von 1.5 bis 5 km pro Pixel von ~90% der Marsoberfläche zur Verfügung. Ergänzt wurden sie noch durch Messungen des Mars Global Surveyers, insbesondere von dessen TES (Thermal Emission Spectrometer) -Instruments  sowie den Ergebnissen des THEMIS (Thermal Emission Imaging System) -Instruments der Sonde Mars Odyssey.

Die Ären in dieser Chronologie ergeben sich aus den jeweils vorherrschenden Verwitterungsbedingungen, die wiederum im Wesentlichen von den atmosphärischen und klimatischen Verhältnissen und der Präsenz von Wasser (neutral oder mit pH<7) abhängen.  In den ersten 2/3 des Noachian waren die Bedingungen auf dem Mars so, daß sich in stehenden Gewässern Phyllosilikate bilden konnten. Dann setzte ein verstärkter Vulkanismus ein, der viel Schwefel freisetzte und die noch vorhandenen wäßrigen Milljöhs immer saurer werden ließ. Die Bedingungen zur Bildung von Sulfaten verbesserten sich auf diese Weise und vom Ende des Noachians an bis zum zweiten Drittel des Hesperians konnten sich Sulfatlagerstätten bilden. Der Anfang dieses Zeitalters wurde durch einen dramatischen Klimawechsel eingeleitet, in dessen Ergebnis der Planet in einen trockenen, kalten Zustand mit einer dünnen CO2-Atmosphäre übergegangen ist, der im Wesentlichen bis heute anhält. Ab dem letzten Drittel des Hesperians bildeten sich dann auch die dünnen Fe3+-Oxidschichten auf den freiliegenden Gesteinen aus, die den Mars sein rostiges Aussehen verleihen.
„Mineralogische“ und sich aus Impaktkraterstatistiken ergebende Zeitalter der Marsoberfläche. Quelle Birring, 2006

Anhand der vorherrschenden chemischen Veränderungsprozesse lassen sich demnach folgende drei „Zeitalter“ ableiten:

Phyllosian
Neutral-aquatische Prozesse, die zur Bildung von Phyllosilikaten in Art der Tone führte. Dazu ist eine relativ mächtige, „feuchte“ Atmosphäre notwendig.

Theiikian (griech. für „Schwefel“)
Sauer-aquatische Prozesse, bedingt durch die Entnahme von vulkanisch freigesetztem Schwefel aus der Marsatmosphäre (deren Druck sich während dieser Zeit stark verringerte) und Überführung dieses Schwefels in Sulfate wie z.B. Gips an Stellen, wo noch flüssiges Wasser vorhanden war.

Siderikian (griech. für „Eisen“)
Vulkanische Gesteine (Mg-Fe-Pyroxene) bilden bei ihrer Verwit­terung unter Abwesenheit von Wasser rötliche Eisenoxid­schichten auf ihrer Oberfläche aus.



Nördlich des Valles Marineris befindet sich im Lunae Planum die Senke Juventae Chasma, in der auf Mars-Express-Aufnahmen eine Erhebung aus geschichteten Sulfatsedimenten entdeckt werden konnte. Diese freiliegenden Schichten, von denen hier nur ein kleiner Ausschnitt abgebildet ist, bilden einen knapp 60 km langen und 23 km breiten „Berg“, der auf den OMEGA-Aufnahmen die typischen Spektralmerkmale von Sulfaten (Gips) zeigt. Quelle Neukum, 2006)

Der Übergang vom Phyllosian zum Theiikian (Late Noachian) zeigt eine signifikante Veränderung der Chemie des Wassers an, welches zunehmend saurer wird. Ursache ist der Beginn Tharsis-Aufwölbung, die mit extensivem Vulkanismus verbunden war. Auch die Ausbildung der nördlichen Flutbasaltprovinzen und der dem Hesperian zugeordneten „ridged plains“ (Phillips et.al., 2001) haben sicherlich zu einem starken Schwefeleintrag in die damals noch dichtere Marsatmosphäre geführt, der als Nieder­schlag von Schwefelsäure zu einer starken Versauerung der damals noch vorhandenen Gewässer geführt haben dürfte. Alles in allem ideale Bedingungen, um extensive Sulfatablage­rungen ausbilden zu können, wie sie in geschichteter Form sehr schön in Juventae Chasma zu sehen sind.


Nächstes Mal: Historische Geologie der Marsoberfläche

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